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Reflexionen über die Oper

     
 
Oper für 4 Busse - Künstlerische Grenzgänge
oder: Das Produkt als Prozess

Nicoletta Blacher

Berlin, August/September 2001 "Öffentlicher Nahverkehr als europäisches Gemeinschaftserlebnis in schaukelnden Stadtbussen. Eine vertraute Alltagssituation verlässt die Routenführung logischer Absicht, ein bestimmtes Ziel innerhalb einer festgesetzten Zeit zu erreichen. Als 'Oper für 4 Busse’ geht die uns teure Kunstgattung Oper mit ihrem Publikum auf die Straße. Vier innen und außen verspiegelte Busse fahren. Auf engem Raum, virtuell von einem europäischen Land ins andere. Mehr Platz war in Berlin nicht, als im Inneren eines Mythos, des Mythos Museum, auf einer künstlichen Insel, dem Weltkulturerbe Museumsinsel im Herzen der Stadt. Treffender als mit den Fahrten im Kreis der Geschichte hätte die Situation der Kunst (und Europas) nicht gespiegelt und reflektiert werden können. "Wo bin ich?", fragte Mechthild Zschau in ihrem Bericht im Deutschlandfunk Kultur und erkannte, dass sie sich in einem utopischen Raum befindet. Weil Utopien länger zu ihrer Verwirklichung brauchen, ist die 'Oper für 4 Busse’ eine Produktion im Prozess".
Gisela Weimann

Dublin Europäische Kulturhauptstadt, 1991 Der Prozess begann vor 10 Jahren in Europa. Gisela Weimanns Beitrag zu dem europäischen Symposion "Women Artists’ and the
Environment" sah eine Inszenierung im Stadtraum vor, die sich an sieben Tagen in sieben Szenen entwickeln sollte. Bei der fünften Szene von "Moving Images - Seven Days Reflected" mit dem Titel "Moving Houses" (Bewegte Bilder - Sieben reflektierte Tage / Bewegte Häuser) sollten verspiegelte Busse am Fluss Liffey entlangfahren.

Berlin, 1999 In Dublin konnte Gisela Weimann die Bus-Szene nicht verwirklichen. In Berlin brauchte sie nach mehrfachen Anläufen 3 Jahre, um ihr komplexeres Gesamtkunstwerk einer Busoper in Fahrt zu bringen. Viele Umwege musste sie gehen und viele Hindernisse im Finanzierungs- und Behördendschungel überwinden. Obwohl multimediale Kunstprojekte schon lange zum Kulturalltag gehören, sprengte die "Oper für 4 Busse" die Schubladensysteme der gängigen Förder- und Aufführungspraxis und zeigte, dass es immer noch schwierig ist, wenn sich der verordnete Alltag und Kunst an ungewohnten Schnittstellen begegnen. Während Experimente innerhalb der etablierten kulturellen Institutionen wohlwollend begleitet werden, stehen aktuelle künstlerische Positionen außerhalb unter großem Legitimationszwang. Der Beweis soll vor der Beweisführung erbracht werden.
Mut zum Experiment zeigten der Kulturfonds mit einer Anschubfinanzierung zur Produktion der Musik und der Hauptstadtkulturfonds mit der Gewährung einer größeren Fördersumme für Gestaltung und Ausstattung der Busse und die Premiere in Berlin. Ergänzend engagierten sich die Botschaften und Kulturinstitute der beteiligten europäischen Länder und Sponsoren aus der Wirtschaft und ermöglichten damit den Start der "Oper für 4 Busse" auf der geplanten Reise durch Deutschland und Europa.

"... Die Unterstützung der großen Institutionen kann auch nicht Aufgabe des Fonds sein. Wir bekommen allerdings Projekte der Berliner Festspiele oder des Hauses der Kulturen der Welt, deren eigener Veranstaltungsetat nicht ausreicht... . Ich würde gerne eine kleinere Summe für ein 'Werkstattprogramm’ reservieren, das für solche Projekte gedacht ist, die wirklich Neuland betreten. Damit können wir die Entwicklung einer besonders ausgefallenen Projektidee 'anfördern’. Ich halte es für sehr wichtig, bewusst ein Risiko eingehen zu können, die Möglichkeit einzukalkulieren, dass eine gute Idee auch scheitern kann."
Interview mit Professor Dr. Dieter Sauberzweig, dem Kurator des Hauptstadtkulturfonds, Tagesspiegel, 20. Januar 2000


Berlin, 2001 In Kooperation mit der Karl-Hofer-Gesellschaft und engagierten Mitarbeitern wurde im Juli 2000 bei einem Komponistenworkshop gemeinsam die musikalische Grundstruktur entwickelt und mit einer szenischen Voraufführung ohne Busse vorgestellt. Der Erfolg der Aufführung und die Hartnäckigkeit der Künstlerin brachten ihr die konstruktive Unterstützung der Berliner Verkehrsbetriebe ein: Vier ausrangierte Stadtbusse, überholt und TÜV geprüft wurden bereitgestellt sowie die Möglichkeit geschaffen, in einer historischen Werkhalle zu arbeiten und zu proben.
Fünf Monate dauerte es bis die Busse künstlerisch umgestaltet waren. Gisela Weimanns Vision erwies sich als ansteckend für alle Beteiligten aus unterschiedlichen Berufsgruppen, die innovative glas- und klangtechnische Konzepte entwickelten und umsetzten, Sicherheitsauflagen prüften und so wohlwollend wie möglich interpretierten und fachlichen Rat für den Umgang mit Bussen gaben.
Die Uraufführung der "Oper für 4 Busse" wurde in das Programm von "Götterleuchten - Museumsinsel 2001" aufgenommen, das eine Künstlergruppe in Zusammenarbeit mit dem Besucher-Dienst der Staatlichen Museen zu Berlin durchführt.
Der nächste Schritt: die Bestimmung der Route. Die ursprüngliche Idee, die Busse, ausgehend vom Alten Museum durch die Seitenstraßen rund um die Museumsinsel fahren zu lassen, konnte aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht realisiert werden. Die kurzfristige Sicherung einiger Kreuzungen und der Auftritt des Polizeiorchesters in den Zwischenakten schien bei ersten Gesprächen möglich, erwies sich aber schnell als nicht finanzierbar. So beschränkte sich die Opernfahrt auf die Höfe der Museumsinsel mit ihren Baustellen und engen Durchfahrten und verlangte den Busfahrern höchstes Geschick ab.

Einsteigen bitte! Noch nicht! Den von den Staatlichen Museen genehmigten und für die Inszenierung unverzichtbaren Auftakt vor dem Kunsttempel 'Altes Museum’ wollte der zuständige Stadtrat im letzten Augenblick verhindern. Ein Schreck von vielen, die ich nicht im Detail genannt, aber eingangs mit dem Begriff 'Behördendschungel’ umschrieben habe.
Jetzt geht es endlich los!
Der Tempelgong ertönt. Im Scheinwerferlicht kommen vier Busfahrer der Berliner Verkehrsbetriebe die hohen Stufen hinunter und gehen zu ihren vier am Fuß der Treppe geparkten Stadtbussen. Ihre Overalls in rot, blau, grün und ocker stimmen mit Farbsignalen an den Fahrzeugen überein. Weitere Gongschläge rufen die Musiker auf den Plan. Geometrische Ausschnitte in den traditionellen schwarzen Fräcken der Solisten lassen ihre Haut durchschimmern, während ein Funkeln und Glitzern von aufgesetzten Spiegelstücken herrührt. Die Sängerinnen tragen helle wippende Kleider, die ähnlich bearbeitet sind. Auf individuell gestalteten Hutobjekten glimmen Lämpchen auf. An Figuren aus einem intergalaktischen Märchen wurde eine Besucherin erinnert.

Real und gleichzeitig verzaubert laden die Busse zur Mitfahrt ein, denn sie sind ebenso mit unterschiedlichen Spiegelornamenten versehen wie die Kostüme der Solisten. Alles spiegelt sich und wird widergespiegelt: innen, außen, in den Spiegelornamenten auf den Kostümen der Musiker und den strengen Spiegelrastern der sich begegnenden und zeitweilig nebeneinander her fahrenden Bussen. Die Aufhebung des konkreten Raums verändert auch die Wahrnehmung der Zeit - ist es gestern, heute oder morgen? Fahre ich vorwärts oder rückwärts?
Fünf Komponisten aus Russland, Finnland, England und Deutschland haben die imaginäre Reise durch Europa musikalisch umgesetzt. Die optisch eine visuellle Einheit mit Variationen bildenden Busse entfalten durch die Libretti und die Musik akustisch individuelle Eigenart, auf der Grundlage persönlicher Empfindungen und Erfahrungen. Europa präsentiert sich dabei nicht national, sondern kosmopolitisch und doch unverwechselbar.

Mit Georg Katzers "Motorenlied" beginnt jede der vier Reiseetappen. Als Leitmotiv symbolisieren seine elektronisch manipulierten Fahrgeräusche die Fahrt von Land zu Land, die jede der gleichzeitig einsteigenden Zuhörergruppen je nach der Zahl auf ihrer Eintrittskarte in unterschiedlicher Reihenfolge erlebt: der erste Bus fährt von Russland nach England, der zweite von England nach Finnland, der dritte von Finnland nach Deutschland und der vierte von Deutschland nach Russland.

Bus 1: Natalia Pschenitschnikova lebt in Berlin und Moskau. In ihrem Stück "Kante an Kante, zwischen den Spiegeln" wechselt sie musikalisch auf der Suche nach ihrer Identität zwischen den beiden Kulturen hin und her. Russisches Stimmengewirr aus versteckt angebrachten Kassettenrekordern erinnert an Busfahrten in Moskau, ein leidenschaftlich von ihr selbst vorgetragenes Beschwörungsritual an orthodoxe Zeremonien. In einem lyrischem Duett mit der deutschen Sängerin Maacha Deubner begegnen sich ihre beiden 'Ichs’. Am Ende ihres Stückes rezitiert der Busfahrer über die knackende Sprechanlage einen poetischen Text.
Rot leuchten die Worte "Wagen Hält" auf:

Bitte umsteigen ins nächste Land!

Bus 2: "Which language has not been the oppressor’s tongue?" (Welche Sprache ist nicht die Sprache des Unterdrückers gewesen?) ist die zentrale Frage in Melvyn Poores Stück "Geradeaus" im englischen Bus. Gedichte des Iren John Montague und der Inderin Sujata Bhatt, thematisieren ebenfalls Identitätsverlust, hier durch eine aufgezwungene Kultur und Sprache durch die englischen Besatzer. Mit bedrohlicher Eindringlichkeit stellen der holländische Stimmkünstler Jaap Blonk und der Bassklarinettist Phillipe Micol aus der Schweiz dieses ungelöste europäische Problem ethnischer Konflikte dar.

Bus 3: "Schnee, Wald und Meer" erlebt das Publikum im finnischen Bus. In Patrick Kosks vielschichtiger elektronischer Komposition klirrt eisige Kälte, Wind weht über eine weite Landschaft, ein finnisches Lied klingt an. Schnell wechselnde Klänge und Geräusche bleiben ambivalent, überlagern sich und sind verhallt ehe sie das Bewusstsein erreichen. Der Schlagzeuger Aleksi Haapaniemi spielt dazu mit schnarrenden gelben Plastikenten, einem blubbernden Wasserbehälter, einem Schlagwerk aus Exhaustern und dem Bus selbst, der durch parallel zu den Haltestangen aufgehängte Klangrohre und Tams Tams zu einem Schlaginstrument wird.

Bus 4: Jeden Respekt vor den deutschen Klassikern lässt Friedrich Schenkers Komposition "Goethefaustzweischnittchen" vermissen. Sein Libretto aus kurzen Textfragmenten, absurden Wortfolgen und zertrümmerter Sprache ist aus dem Wechselgespräch der Helena und des Chores vor dem Palast des Menelaos zu Sparta im dritten Akt des Faust II zusammengesetzt. Kurze Anmutungen an große Opernarien kippen unvermittelt ins Absurde um. Die italienische Sängerin Anna Clementi interpretiert mit Temperament und ausgeprägter Mimik im Dialog mit den englischen Tubisten Melvyn Poore und Robin Hayward.

Wo liegt Europa? Und was ist typisch deutsch oder russisch oder...?

Dekonstruktion und Gesamtkunstwerk
Das von der Künstlerin hintergründig in den Titel eingefügte Wort 'Oper’ öffnet vertraute Schubladen und legt Erwartungen fest. Oper, im wagnerischen Sinne als Gesamtkunstwerk: eine "organische Synthese" der Künste, die eine kosmische Ordnung im Kunstwerk suggeriert. Das menschliche Schicksal, eingebunden in einen historischen Kontext und abgehoben von der Lebenspraxis. Ein reiches Formen- und Bildarchiv, das die Künstlerin Gisela Weimann Schritt für Schritt dekonstruiert. Nicht ein Komponist, sondern gleich 5 realisieren diese ungewöhnliche Oper. Unzusammenhängende musikalische Fragmente werden durch verfremdete Busgeräusche voneinander getrennt und durch das vierfach wiederholte Element der optisch ähnlichen Busse verbunden - die dramaturgische Klammer ist der Gegensatz der Inhalte. Die hehre Oper mit ihren rezeptionsspezifischen Begleiterscheinungen wird, zerlegt in Einzelteile, in eine urbane Alltagssituation verpflanzt und fährt in Stadtbussen selber zum Publikum anstatt das Publikum in die Oper.

"1989 fasste ich mein Konzept der Arbeitsserie 'Teile des Ganzen’ zusammen: Zwischen der bedrängenden Vielfalt der inneren und äußeren Bilder erhebe ich das Fragment zum Prinzip. Nichts wird je wieder zusammen passen, das Verlangen nach Ganzheit wäre widersinnig. Ich finde die 'Teile des Ganzen' auf der Straße, überlasse sie befreundeten Künstlern zur Ergänzung, trenne und füge eigene Bildgedanken neu zusammen. Es entstehen Momente 'Magischer Korrespondenz' mit dem Fremden und Unbewussten. Neue Bilder ordnen sich innerhalb einer vorgegebenen Struktur >Nach den Gesetzen des Zufalls< (Hans Arp).
Diese prinzipiellen Überlegungen von vor fast 15 Jahren kommen bei der 'Oper für 4 Busse’ wieder zum Tragen. Die traditionellen Konzertfräcke sind durchlöchert, die Kunst und die Oper gehen auf die Straße, in den Spiegeln findet jeder sein eigenes Bild, kontroverse Teile werden zusammengefügt, es entsteht eine magische Korrespondenz mit dem (Kunst)Fremden und Unbewussten, und mit jeder Bewegung der optisch durchkonstruierten Busse ordnen sich die Bilder unaufhörlich und nicht vorhersehbar innerhalb einer vorgegebenen Struktur neu."
Gisela Weimann

Aus dieser, von der Künstlerin beschriebenen Arbeitsweise entsteht ein neues Gesamtkunstwerk, bei dem die beteiligten Künstler nicht nur Ausführende sind und das Publikum nicht nur aus Rezipienten besteht, sondern die eigene Wahrnehmung ständig hinterfragt und zu Reaktionen herausgefordert wird. Kein einseitig konsumierbares Produkt also, sondern die Verbindung von malerischen Elementen, Musik und Performance mit konkreten Erfahrungen der eigenen Augen und Ohren in Raum und Zeit.

Über Sinn und Sinnlichkeit
Die Reaktionen der Musikkritiker ließen Gisela Weimanns Absichten außer Acht. Proben und Werkstattgesprächen waren für sie nicht von Interesse. Die "Qualität" des fertigen Produktes zählt, wobei diese am Genre "Oper" oder "zeitgenössisches Musiktheater" gemessen wurde. Die Meinungen spalteten sich insbesondere bei der Einschätzung des Finnischen Busses mit seinen offenen Klangstrukturen und improvisatorischen Elementen und des Deutschen Busses mit einer dem vertrauten Musiktheater näherstehenden Form. Erstaunlich auch, dass die visuellen Anreize der verspiegelten Busse in den Musikkritiken kaum Erwähnung fanden. Ganz anders reagierten die Kulturredakteure und Radiojournalisten. Ihre Probenbesuche dauerten 2 bis 6 Stunden, und insbesondere die Radiobeiträge vermittelten eine differenzierte Sicht auf das Gesamtprojekt.

Der Dialog der Künstler und Mitarbeiter untereinander und mit dem Publikum und den Passanten ist im Grundansatz des Projektes verankert, wobei sinnliche Wahrnehmung und "Eigenbilderzeugung" im Vordergrund stehen. Während professionelle Musikkritiker den Sinn oder auch die "Oper" suchten, überwog die Neugierde und das Sicheinlassen gerade bei den Besuchern und zufälligen Passanten, die von sich sagen, dass sie nichts von Kunst und moderner Musik verstehen. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen während der Fahrten und danach abgegebene Kommentare zeigten deutlich, dass die Art der Präsentation das bisherige Bild vom Künstler und zeitgenössischer Kunst verändert hatte: "Ich beschäftige mich sonst nicht damit. Ab und zu hört und sieht man aber was. Ich habe alles immer als 'schwer’ empfunden. Für mich war wichtig, dass ich direkt reagieren konnte und die Künstler das positiv aufgenommen haben. Wenn der Musiker so nahe ist, ist auch die oft fremd klingende Musik näher."
Die Nähe zum Publikum, aber auch die Gruppendynamik, die sich beim Umsteigen und in den Bussen entwickelte, erwies sich auch für die Musiker als spannendes Experiment. Möglichkeiten der direkten Kontaktaufnahme und Vermittlung wurden erspürt und flossen in die Performances ein.

Europäische Perspektiven
Die Museumsinsel in Berlin war die erste Station der "Oper für 4 Busse" und als Weltkulturerbe der Unesco der geeignete Ort für den Start dieses Dialogs zwischen den Kulturen. Der "work in progress" Charakter, der das ganze Projekt prägt, soll bei weiteren Aufführungen in anderen Städten vorangetrieben werden. Für jede Aufführung wird ein ortsbezogenes Konzept formuliert. Die Musik kann erweitert und anders interpretiert werden und viel Spielraum bleibt bei der Gestaltung der Zwischenakte beim Umsteigen des Publikums. Voraussetzung ist die Zusammenarbeit der Künstler in einer Art Laborsituation. Selten haben Künstler die Möglichkeit, in dieser Dichte, im Austausch mit anderen beteiligten Berufsgruppen und dem Publikum künstlerische Ansätze weiterzuentwickeln. Eine Dynamik, die das Gesamtvorhaben mit seiner schwierigen Proben- und Aufführungssituation - zuerst in einer stickigen Werkhalle und dann in wackligen Bussen mit hohem Eigengeräuschanteil - wesentlich geprägt hat. Bewusst hat Gisela Weimann bei der Künstlerauswahl ein möglichst breites Spektrum an künstlerischer Erfahrung einbezogen: Alle Künstlerinnen und Künstler sind vertraut mit multimedialen Produktionen im Bereich Performance, Tanz, Filmmusik, Hörspiel, experimentelle szenische Musikaufführungen und Erschließung neuer künstlerischer Ausdrucksformen. Diese vielfältigen Erfahrungen könnten genutzt werden, um über Workshops im Vorfeld der Aufführungen andere Zielgruppen (Jugendliche, Studenten, örtliche Musikgruppen etc.) in die Gestaltung einzubinden.

Die "Oper für 4 Busse" verknüpft Öffentlichkeitswirksamkeit und Experiment, damit wäre sie gerade bei spezialisierten Festivals genau an der Schnittstelle zu einem breiteren Publikum, das sonst die 'geschlossenen’ Veranstaltungen nicht besucht. Die "Oper für 4 Busse" ist aber auch eine Herausforderung für die gängige Förderpraxis und für Überlegungen, wie eine europäische Zusammenarbeit mit der Einbindung von Künstlern aus acht Ländern längerfristig sichergestellt werden könnte. Bereits die unterschiedlichen künstlerischen Beiträge zur Premiere in Berlin haben gezeigt, dass aus der Perspektive von Künstlern der kulturelle Dialog eher in der Sichtbarmachung der Unterschiede besteht, als in der bisherigen "multikulturellen" Praxis. Ein Ansatz, der sich mit einigen Einschätzungen bei der Abschlussveranstaltung zum Internationalen Jahr der Vereinten Nationen 2001 "Dialog zwischen den Kulturen", deckt.

Erstveröffentlichung in: Kulturpolitische Nachrichten Nr. 96, I / 2002, Seiten 80 - 82

Die Autorin ist Kulturmanagerin (konzept & kommunikation) in Berlin

 
 
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